Dienstag, 28. Dezember 2010

Auf Reise... Glück und Pech

Max präsentiert stolz den Truthahn
Nach der "deutsch-kolonialbolivianischen" Weihnachtsfeier mit allen Voluntarios und Chef Max im Hauptsitz von HI Bolivia in Sucre, sind wir direkt am ersten Weihnachtsfeiertag aufgebrochen. "Wir" sind ersteinmal Max und Marisa aus Camiri, dann noch Immanuel, Johnny und last but not least Judith, die uns noch bis Montevideo (Uruguay) begleiten wird. Die Zeit über Sylvester und Anfang Januar bietet sich perfekt zum Reisen an, da in den Schulen gerade Sommerferien sind (man erinnert sich: Südhalbkugel). Wann die Schule weitergeht, weiss übrigens noch keiner genau. Die Rektorin meinte nur "wahrscheinlich am ersten Februar, aber ruf mich lieber nochmal an". Wann dann wirklich der erste Unterrichtstag ist, wird noch per Radio und Fernsehn verbreitet. Ganz bolivianisch eben.

Mein Reisegepäck mit "ALEQ"-Mütze
Socken trocken auf den letzten Drücker
Ein wenig Pech für uns
Bolivianer sind Warten gewohnt
Die erste kleine Station unsere Reise sollte Villazón an der Grenze zu Argentinien werden. Eilig verliessen wir das wüste Zimmer, gingen zum Bus-Terminal und zeigten die Tickets vor, die ich zum Glück doch noch zwischen den Seiten meines Tagebuchs gefunden habe. Die Freude auf die bevorstehenden Reisetage war gross und guter Stimmung ging es Richtung Süden. Schon in der nächsten Nacht um vier Uhr sollten wir in der Grenzstadt ankommen. Doch irgendwann, ein wenig vor drei, blieb die Flotta (Überlandbus) stehen. Natürlich dachten wir erst, wir seien schon angekommen. Doch bei Sonnenaufgang wurde klar: Der Bus steckt im Schlamm fest. Die ungeteerte Strasse wurde von einem kleinem Fluss gekreutzt. Schnell wurde vom Flottapersonal ein kleiner Damm errichtet, um die Flut um den Bus herumzuleiten. Über vier Stunden mussten wir in der klirrenden Kälte warte, um die Achsen nicht noch mehr zubelasten - zum ersten mal seit 4 Monaten konnte ich meinen eigennen Atem kondensieren sehen. Nach unzähligen Versuchen und gemeinsamen Anschieben konnte wir die Flotta aus dem Schlamm befreien und erschöpft setzten wir die Fahrt fort.

ADAC? Die Technik hier ist unorthodox, aber erfolgreich
Glück für uns - viel Pech für die Anderen
Vom ersten auf den zweiten Weihnachtsfeiertag hat Präsident Evo Morales, der mit seiner Partei MAS die Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament besitzt, die Innlandssubventionen auf Kraftstoffpreise abgeschafft. Offizielle Begründung ist die Angleichung der Preise an die Nachbarländer um unerlaubte Exporte zu unterbinden, aber auch um 400 Milionen US-Dollar jährlich einzusparen. Laut Regierung sollten Lebensmittelpreise um maximal sieben Prozent, Reise- und Transportkosten um maximal 23 Prozent steigen. Die Realität hingegen sieht anders aus. Seit gestern starten keine Flugzeuge mehr, es fahren keine Busse, Flotas oder Taxis mehr. Die meisten Läden haben geschlossen. Kurz: es ist alles zum Erliegen gekommen.
Also hatte unsere Gruppe noch sehr viel Glück, weil wir es noch rechtzeitig über die Grenze geschafft haben. Die übrigen Freiwilligen stecken alle irgendwo in Bolivien oder noch im Hostel in Sucre fest. Manche von ihnen erzwingen auch die Weiterreise mit überteuerten, seltenen Flottatickets um Sylvester nicht im Nirgendwo verbringen zu müssen.

Was noch kommt
Unsere Reise soll weiter nach Buenos Aires führen und von dort aus über Uruguay und Paraguay wieder zurück ins geliebte Bolivien, dass sich bis dahin hoffentlich wieder etwas beruhigt hat.


Sonntag, 19. Dezember 2010

Wieso Weihnachten ganz anders und Omi die Beste ist...

Links im Bild das bolivianische Nudelholz
Heute ist der 4. Advent - so sagt es der Kalender. Und schon diesen Freitag soll Heilig Abend sein. ich kann diese Fakten zwar unmöglich abzustreiten, aber für mich muss ich sagen, es fühlt sich einfach nicht wie Weihnachten an. Die typische deutsche Weihnachtsstimmung scheint sich nicht jeden Dezember aufs Neue in den Menschen selbst zu entfachen. Wir sind nicht wie die Zugvögel, die jedes Jahr pünktlich Richtung Süden aufbrechen. Einen innere Uhr, einen "Weihnachtswecker" trage ich nicht in mir. Es fehlen ganz einfach einige Dinge, die im typischen Deutschen von einer Sekunde auf die Nächste die friedlichsten, weihnachtlichsten Gefühle wecken. Dabei ist insbesondere an Advendskalender, Weihnachtsmärkte, Advendskränze, Spekulazius! Kälte und Schnee zu denken. Und natürlich an die liebevoll gebacken Plätzchen von Omi.
Unsere Butterplätzchen
Um unserem europäischen Weihnachten etwas gerecht zu werden, haben wir letzte Woche einen ganzen Tag in der Küche verbracht und im fast industriellen Stil einer Weihnachtsbäckerei Teig geknetet, ausgestochen und im Gasofen gebacken. Neben Klassikern wie Vanillekipferl und Zimtsternen wollte ich unbedingt meine Lieblingsplätzchen von Omi backen. Also habe ich mich morgens vor dem Sprachkurs geschwindt bei Skype eingeloggt und mir das Rezept für Londoner Stangen geben lassen. Ich war mir zu diesem Zeitpunkt schon fast sicher, das sie nicht so schmecken würden wie von Omi. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Immanuel bei der Qualitätsprüfung des Teigs
Wie bei so vielen Dingen in Bolivien mussten wir auch in der Küche improvisieren. Gemahlene Mandel zum Beispiel gibt es hier nirgendwo zu bekommen. Also habe ich einfach ganze Mandeln mit einem ganz normalen Mixer zerkleinert - die Klingen werden sich bedanken. Vielleicht hatte der Mangel an deutschem Equipement eine Mitschuld an der Tatsache, dass Eva und ich wirklich den gesamten Tag, bis in die Nacht hinein, in der Küche standen. Zum Glück waren wie nicht ganz alleine weil alle Stunde andere Voluntarios vorbei kamen, um den rohen Teig zu probiern oder selbst Plätzchen auszustechen und zu verzieren.
Londoner Stangen a la boliviana
Aber kehren wir zurück zu Omis Lononder Stangen. Ich mache es ganz kurz: Sie sind leider nicht ganz gelungen. Der Boden und die knusprige Schicht obendrauf könnte zwar "Made by Marlene" sein, aber für die saftige Schicht dazwischen habe ich zu wenig Marmelade genommen. Resultat sind etwas trockene Zuckerbomben, bei deren Anblick sowohl Ernährungsberater als auch Estätiker in Ohnmacht fallen würden.
Omi kann's einfach immer noch am Besten!

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Wie es Don Tani geht...

Ich bin zwar schon ein Weilchen in Sucre, möchte euch aber trotzdem noch ein paar Infos zu Don Tani nachreichen. Mein "Onkel" hatte in Camiri vor eineinhalb Monaten einen Arbeitsunfall, bei dem seine Hand in die Maschine geraten ist. Und was macht er jetzt? Vermutlich steht er gerade auf dem Feld, seine Baseballkappe gegen die Sonne tief ins Gesicht gezogen und seine verletzte Hand in seiner unverwechselbaren Tasche hängend. Dabei gibt er wahrscheinlich den Jungs aus dem Kinderheim wild gestikulierend Anweisungen - man kann ihn ja mit dem ganzen Koka in der Backe schwer verstehen. Dann, weil er einfach nicht geboren wurde um Arbeitsschritte zu erklären, führt er die wenige Griffe mit seiner gesunden Hand in gewohnt hektischer, aber routinierter Art selbst aus.
Juan Pablo jätet Unkraut - Don Tani koordiniert
Wie man vielleicht erahnt, hatte Don Tani noch Glück im Unglück. Er durfte zu erst einmal seinen Job behalten. Dann hat Madre Gracia, die Leiterin des Kinderheims, auch noch seine Operationen bezahlt: allerdings nicht in Santa Cruz, der Hauptstadt des Departamentos, sondern nur im lokalen Krankenhaus. Von den Ärzten wurden Don Tani zwei Monate Arbeitspause verordnet. Doch schon eine Woche später ist er mit den Worten "Zuhause ist es langweilig" wieder auf der Granja aufgetaucht. Es können sich eben nicht viele Bolivianer Hobbies im europäischen Stil leisten. Also steht er nun wieder jeden Tag auf der Farm bereit, fast wie früher. Nur zwei Dinge haben sich verändert: Er trägt seine linke Hand pflichtbewusst in der Tasche, um sie vor der Sonne zu schützen und versteckt unter der grünen Baseballkappe seinen neuen Haarschnitt. Die zweimonatige Alkoholabstinenz scheint ihn als echten Bolivianer härter zu treffen.